Redebeitrag zum Südverbundabschnitt V

"Auch der Verwaltungsvorschlag ist ja schon ein Kompromiss und ein Schritt in die – aus unserer Sicht richtige Richtung: Und zwar vor der Entscheidung für oder gegen den Bau des Abschnittes V die Verkehrswirksamkeit das Autobahnanschluss Rottluff und die Verkehrsprognosen 2020 abzuwarten. Es bleibt abzuwarten, ob dann der Bedarf für diese Straße mit Zahlen tatsächlich noch belegt werden kann."

Redebeitrag von Volkmar Zschocke zum Verkehrsentwicklungsplan 2015 zur Stadtratssitzung vom 15.11.2006

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, nach den ausführlichen Bürgerdiskussionen zum Verkehrsentwicklungsplan Ende 2005, die von der Verwaltung in ausgezeichneter Weise moderiert wurden, fand nun in diesem Jahr noch eine ausführliche öffentliche Debatte zum umstrittenen Abschnitt V des Südverbundes statt. Befürworter und Gegner meldeten sich zu Wort, begründeten ihre jeweilige Sicht mit verkehrlichen, finanziellen und ökologischen Argumenten.

Das ist ja eigentlich das, was man sich in der Kommunalpolitik wünscht, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden bei den Entscheidungen im Stadtrat, dass sie sich einbringen, ihre Interessen vortragen und auch die jeweilig anderen Standpunkte anhören. Das ist der Gegenentwurf zur Zuschauerdemokratie.

Wir GRÜNEN werden heute erneut unseren Antrag zum Verzicht auf den Abschnitt V stellen. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Abschnitt ein überflüssiger Stumpf ist. Denn der Ringschluss im Süd-Westen erfolgt derzeit mit dem Knoten Südring/Neefestraße zum Autobahnanschluss Süd. Es war immer Konsens, die bestehenden Bundesautobahnen in das Ringsystem einzubinden. Der Abschnitt V wird den Chemnitzer Nord-Westen auch nicht konsequent anbinden. Denn dazu müsste er durch den Crimmitschauer Wald zum Krankenhaus und zur Leipziger Straße weitergeführt werden, ebenfalls parallel zur Autobahn – und das will ja wirklich niemand mehr. Wir stellen diesen Antrag auch, weil wir zur Kommunalwahl 2004 dafür erneut ein klares Mandat unserer Wähler erhalten haben.

Wahrscheinlich wird unserer Antrag hier heute keine Mehrheit finden. Vielleicht findet der Planungsstopantrag der PDS eine Mehrheit, aber auch der Verwaltungsvorschlag ist ja schon ein Kompromiss und ein Schritt in die – aus unserer Sicht – richtige Richtung, und zwar vor der Entscheidung für oder gegen den Bau des Abschnittes V die Verkehrswirksamkeit das Autobahnanschluss Rottluff und die Verkehrsprognosen 2020 abzuwarten. Es bleibt abzuwarten, ob dann der Bedarf für diese Straße mit Zahlen tatsächlich noch belegt werden kann.

Auch die Medien berichteten ausgewogen über die Südverbunddebatte, es wurden Grafiken über den Verlauf parallel zur Autobahn veröffentlicht, Pro und Contra gleichberechtigt nebeneinander gestellt und auch das Thema Fördermittel wurde noch einmal aus verschiedenen Perspektiven reflektiert. Die Menschen konnten sich auf der Grundlage von fachlichen Argumenten einen Standpunkt bilden: Dafür oder dagegen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es hat in der ganzen, mitunter auch emotional geführten Debatte eigentlich nur eine wirklich gravierende Fehlleistung gegeben. Und das ist das Schreiben des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Michael Lohse vom 9.11.2006. Im Streit um den Abschnitt V selbst hat Herr Lohse inhaltlich wenig beizusteuern. Wenn man IHK-Präsident ist, reicht es offenbar aus, ein paar allgemeine, nicht überprüfbare Wechselwirkungen zwischen Firmenansiedlung und Straßenbau herzustellen und im Übrigen den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit von Chemnitz zu beschwören, sollten die 3 Kilometer Südverbundabschnitt V nicht gebaut werden. Das könnte man ja noch als Lobbyarbeit für die regionale Wirtschaft akzeptieren, auch wenn es nicht besonders engagiert begründet ist. Stadträten, die nur das öffentlich vertreten, was sie ihren Wählern zugesagt haben, vorzuwerfen, dass sie den Südverbundabschnitt V als Spielwiese für ihre Profilierung missbrauchen, ist zwar absurd – aber auch noch zulässig.

Wenn sich aber der oberste Repräsentant dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft anschickt, viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt öffentlich zu diskreditieren, dann kann das auch nicht mehr im Interesse der Industrie- und Handelskammer selbst sein.

Unsere Stadt macht derzeit einen beispiellosen Schrumpfungsprozess durch, verbunden mit problematischen Verwerfungen in der Altersstruktur, mit gigantischen Infrastrukturproblemen, weil alles viel zu groß, zu teuer und zu weiträumig. Menschen, die sich nun Gedanken machen, wie unsere Kinder diese Stadt einmal bewohnen und bewirtschaften sollen, zu Schildbürgern zu erklären, geht unserer Auffassung nach zu weit. Der Abschnitt V wird mehr als 20 Millionen Euro verschlingen, von den Folgekosten ganz abgesehen. Ein Neubau für die Körperbehindertenschule z. B. würde die Hälfte kosten. Wenn Herr Lohse all denen Kleinkariertheit vorwirft, die fragen, ob es in unserer schrumpfenden Stadt nicht wichtigere Aufgaben als diese Straße gibt, beschädigt er unserer Auffassung nach das Ansehen der IHK. Das erinnert an die Peanuts-Geschichte*, die z. B. dem Ruf der Deutschen Bank erheblich geschadet hat. Das Ganze gipfelt darin, dass eine transparente öffentliche Debatte über das Für und Wieder einer Infrastrukturmaßnahme von Herrn Lohse zu einer Provinzposse erklärt wird, die endlich zu beenden ist. Hier zeigt sich das problematische Verhältnis des Verfassers zur kommunalen Demokratie. Herr Lohse, wir sind froh, dass Sie Chemnitz nicht im Bundestag vertreten. Ihr Schreiben vom 9.11. weisen wir im Namen vieler Bürgerinnen und Bürger entschieden zurück. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

*Der damalige Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, hat die 50-Millionen DM-Forderung der Handwerker nach der Pleite der Schneider AG, am 24.02.1996, als "peanuts" bezeichnet

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