Platzüberlassungsvertrag zwischen der Stadt Chemnitz und in Chemnitz gastierenden Zirkusunternehmen


Beschlussvorschlag:

Die Verwaltung wird beauftragt, den Platzüberlassungsvertrag zwischen der Stadt Chemnitz und in Chemnitz gastierenden Zirkusunternehmen um folgenden Sachverhalt zu ergänzen:

Gemäß der "Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen" des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (in seiner 2000 überarbeiteten Fassung) sowie der darin enthaltenen ergänzenden Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und der Bundestierärztekammer wird das Mitführen und der Auftritt von Menschenaffen, Tümmlern, Delfinen, Greifvögeln, Flamingos, Pinguinen, Nashörnern, Wölfen, Giraffen und Elefantenbullen auf dem Pachtgelände ausgeschlossen. Der Pächter erkennt diesen Ausschluss für sein Unternehmen und den Aufenthalt in Chemnitz ausdrücklich an. Das Mitführen, die Haltung und der Auftritt aller weiteren Tiere erfolgt ausschließlich unter Einhaltung der genannten Leitlinien.

Ergebnis:

Der Stadtrat stimmte diesem Antrag in der Ratssitzungen am 24.10.2007 vollständig zu.

Antragsbegründung:

Das Mitführen bestimmter Wildtiere in Zirkusunternehmen für Schau- und Dressurzwecke ist seit Jahren und nicht nur bei Tierschützern umstritten. In mehreren europäischen Ländern sind Wildtiere in Zirkusunternehmen bereits ganz oder teilweise verboten (z.B. Österreich, skandinavische Länder, Ungarn, Polen). In Deutschland ist die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusunternehmen allein durch die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG) geregelt, spezielle gesetzliche Vorgaben für in Zirkusbetrieben gehaltene Tiere gibt es nicht. Zur Orientierung hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für einige Tierarten "Leitlinien für die Haltung Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen" herausgegeben. Ein Unterschreiten der in den Leitlinien gemachten Vorgaben hat praktisch jedoch keine Rechtsfolgen.

Auch in Deutschland gab es bereits mehrere Initiativen die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren im Zirkusunternehmen neu und rechtsverbindlich zu regeln. So fasste am 17.10.2003 der Bundesrat auf Initiative des Bundeslandes Hessen eine Entschließung zum Verbot der Haltung bestimmter wildlebender Tierarten in Zirkusbetrieben und zur Einrichtung eines Zirkuszentralregisters. Der Bundesrat beauftragte das BMELV ein Verordnungsentwurf zu erarbeiten, welcher das Halten wildlebender Tiere (insbesondere Affen, Elefanten, Großbären) in Zirkusbetrieben – mit entsprechenden Übergangsregelungen – grundsätzlich verbieten solle. Des weiteren bat der Bundesrat die Bundesregierung, ihn unverzüglich weitere Rechtsverordnungen zuzuleiten, welche die zentrale Erfassung von mobilen Tierschauen und Zirkussen mit Tierhaltung sowie die Kennzeichnung der dort vorhandenen Wildtiere regele. Im gleichen Jahr ersuchte auch der Bundestag anlässlich der Beratungen über den "Tierschutzbericht 2003" die Bundesregierung, zusammen mit den Ländern darauf hinzuwirken, die Haltungsbedingungen von Zirkustieren nachhaltig zu verbessern sowie ein Zentralregister und eine Positivliste einzuführen. Am 29.03.2006 brachte das Bundesland Baden-Württemberg unterstützt von Bayern erneut zwei Anträge zum Haltungsverbot von Wildtieren, zur Einführung eines Zirkuszentralregisters und zur Kennzeichnung von Zirkustieren in den Bundesrat ein.

Hintergrund der Initiativen im Bundesrat und Bundestag waren neben dem Fehlen rechtsverbindlicher Regelungen für Zirkusunternehmen vor allem die zahlreichen Beanstandungen von Amtstierärzten an den Haltungsbedingungen von Wildtieren bei vor Ort gastierenden Zirkusbetrieben. Allein für die Jahre 2000 bis 2003 listete die Bundesregierung auf Nachfrage 1077 Beanstandungen von Amtstierärzten bundesweit auf (ohne Berlin und Schleswig-Holstein). Die Haltungsbedingungen für Wildtiere sind anspruchsvoll und vielfältig. Im Vergleich zu wissenschaftlich geführten Zoos oder Safariparks sind die Voraussetzungen für eine artgerechte Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben ausgesprochen schlecht. Ursache ist vor allem der Zwang zur Mobilität. Alle Haltungseinrichtungen müssen schnell auf- und abbaubar und leicht zu transportieren sein. Die Platzverhältnisse in den Gastkommunen sind kaum beeinflussbar.1) Neben den anspruchsvollen Haltungsbedingungen stehen auch spezifischen Eigenarten einer Haltung und Nutzung  bestimmter Wildtiere in Zirkusbetrieben grundsätzlich entgegen.2)

Aus diesen Gründen empfiehlt das BMELV in den im Jahr 2000 überarbeiteten "Zirkusleitlinien" keine tierschutzrechtliche Erlaubnis mehr für die Haltung oder das Mitführen von Menschenaffen, Tümmlern, Delfinen, Greifvögeln, Flamingos, Pinguinen, Wölfen und Nashörnern in Zirkussen oder in mobilen Tierhaltungen zu erteilen. Im Differenzprotokoll der Bundestierärztekammer wird darüber hinaus auch die Erlaubnisverweigerung für Giraffen und Elefantenbullen angeregt. Obwohl diese Empfehlungen als unumstritten gelten, haben sie  bis heute jedoch keinen rechtsverbindlichen Charakter. Dies erschwert vor allem den zuständigen Behörden – in der Regel die Amtsveterinäre – den praktischen und konsequenten Vollzug des Tierschutzgesetzes vor Ort. 

Ziel des Beschlussantrages ist es nun, die bundesweit geltenden "Leitlinien für die Haltung Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen" auf kommunaler Ebene rechtsverbindlich umzusetzen. Mit Unterzeichnung des Platzüberlassungsvertrages werden die in Chemnitz gastierenden Zirkusunternehmen verpflichtet, die in den "Zirkusleitlinien" aufgeführten Tierarten nicht mitzuführen und alle weiteren Vorgaben der "Zirkusleitlinien" einzuhalten. Nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann dies jedoch nur ein erster Schritt zur konsequenten Umsetzung des Tierschutzes in Zirkusbetrieben sein. Es besteht eindeutig Handlungsbedarf auf Landes- und Bundesebene. Unerlässlich sind die Einführung eines Zirkuszentralregisters und der Erlass von Bestimmungen zur Kennzeichnung von Zirkustieren. Die Vorgaben zur Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben sollten sich konsequent auf das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) und die entsprechende EU-Verordnung (VO [EG] 338/97) beziehen. Gute, moderne Zirkusunternehmen, insbesondere Marktführer wie Roncalli, Flic Flac, Cirque du Soleil und der Chinesische Staatszirkus, arbeiten bereits seit Jahren erfolgreich ohne Tiere.

1) z.B. fehlende Möglichkeiten für sichere Außengehege und Wasserbecken
2) z.B. arteigenes Sozialverhalten, Stressanfälligkeit, Gefährlichkeit, Größe

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