Videoüberwachung auf Spielplätzen?

Beschlussvorschlag:

Der Stadtrat beschließt:

Die Verwaltung wird beauftragt,

  • über die Art und Weise und den Umfang der Aufklärung über sexueller Gewalt / sexuellen Missbrauch in Chemnitzer Kindertagesstätten und soweit möglich auch an Chemnitzer Schulen zu informieren und

  • ein Konzept vorzulegen, welches  Möglichkeiten aufzeigt, wie die Aufklärung zu diesen Themen in Chemnitzer Kindertagesstätten und Schulen intensiviert und  Selbstbehauptungskräfte/ Abwehrkompetenzen der Kinder gestärkt werden können. 

  • Ergänzungsvorschlag der SPD-Fraktion: Das Konzept soll außerdem die Möglichkeiten für eine Informationskampagne der Stadt analysieren, mit der die Bürgerschaft, insbesondere die Eltern auf die Gefahren sexuellen Mißbrauchs im Alltag hingewiesen werden.

Ergebnis:

Der Antrag ist ein Änderungsantrag zum Beschlussantrag der CDU-Fraktion "Prüfung der Möglichkeit der Installation von Videoüberwachungsanlagen an Kinderspielplätzen in der Stadt Chemnitz zur Vermeidung von Straftaten". Unser Änderungsantrag wurde am 14.05.2008 mit der von der SPD vorgeschlagenen Ergänzung beschlossen. Der ursprüngliche Antrag der CDU-Fraktion fand keine Mehrheit.

Begründung:

Vor dem Hintergrund des gehäuften Auftritts von Sexualstraftaten hat die CDU-Fraktion einen Antrag mit folgendem Wortlaut in den Stadtrat eingebracht:

"Der Stadtrat beauftragt die Stadtverwaltung die technische, finanzielle und verfassungsrechtliche Möglichkeit und Zweckmäßigkeit zu untersuchen und Lösungsvorschläge vorzulegen, um Spielplätze auf Chemnitzer Territorium durch Videoüberwachungsanlagen sichern zu lassen. Dabei sind auch die Möglichkeiten zu erörtern, Vandalismusschäden vorzubeugen."

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt ausdrücklich, dass die CDU Fraktion das Thema sexuelle Gewalt / sexueller Missbrauch aufgegriffen und in die politische Diskussion gebracht hat. Die Videoüberwachung von Kinderspielplätzen ist aus unserer Sicht jedoch nicht nur datenschutzrechtlich bedenklich, wir halten sie darüber hinaus auch für unwirksam und ungeeignet Sexualstraftaten gegen Kinder zu verhindern. 

Spielplätze stellen nur einen kleinen Ausschnitt des kindlichen Lebensraumes in der Stadt dar. Auch der Nachhauseweg und der tägliche Schulweg bergen grundsätzlich Gefahren. Hier ist eine Videoüberwachung nicht möglich. Außerdem wird mit der Videoüberwachung nur ein begrenzter Bereich der Spielplätze beobachtet. Potentielle Täter, die sich im Nahbereich aufhalten, können nicht erfasst werden. Darüber hinaus bietet die Videoüberwachung im konkreten Fall auch keine unmittelbare Hilfe. Die durch Videoüberwachung von Spielplätzen erzeugte Sicherheit ist trügerisch und gefährlich.

Sinnvoller erscheint uns in diesem Zusammenhang, Kinder vielmehr zu befähigen, sich in gefährlichen Situationen richtig zu verhalten. Eine Reihe von Kinderbüchern setzt sich bereits mit diesem Thema kindgerecht auseinander und klärt über mögliche Gefahren und richtiges Verhalten auf. 1  Eine weitere Möglichkeit sind Selbstbehauptungskurse. Unter dem Motto „Aufmerksamkeit erregen, losreißen und weglaufen“ wird z. B. in einer Dresdner Kita mit Mädchen und Jungen geübt, sich gegen Erwachsene zu wehren. 2

Nicht zuletzt die Antwort auf die Stadtratsanfrage s/67/2008 von Herrn Dr. Müller zeigt auch, dass die meisten sexuell motivierten Übergriffe sowohl gegen Kinder als auch gegen Frauen gar nicht im öffentlichen Raum stattfinden. Sexualstraftaten werden fast ausschließlich im häuslichen Umfeld und von dem Opfer bekannten Tätern begangen. Auch hier existiert bereits ein Literaturangebot für Kinder, welches mit Bildern und einfachen Texten Anregungen zum Gespräch und zum Nachdenken über das Thema "Sexuelle Grenzüberschreitung" gibt. 3
 
Der Antrag zielt darauf ab, in Erfahrung zu bringen, wie und in welchem Umfang in den Chemnitzer Kindertagesstätten und – soweit zu ermitteln – auch an den Chemnitzer Schulen dieses Thema bereits aufgegriffen wird und welche Möglichkeiten es gibt, die Aufklärungsarbeit zu diesem Thema zu verstärken und zu intensivieren.

Bärbel Spathelf / Susanne Szesny: Pass auf dich auf! Wenn dich ein Fremder anspricht, Albarello 2006.
Veronica Ferres: Nein, mit Fremden geh ich nicht!, Cbj 2007.
Susa Apenrade / Jutta Knipping: Ich kenn dich nicht, ich geh nicht mit!, Arena 2003.
2
Dresdner Spielkiste e.V., finanziert u.a. über den Sozialfond Soziale Stadt
3 Gisela Braun / Dorothee Wolters: Das große und das kleine Nein, Verlag An der Ruhr 1991.
Dagmar Geisler (Pro Familia): Mein Körper gehört mir!, Loewe Verlag 2002. – ausgezeichnet mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. 'Die Silberne Feder'

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