"Da wir nun schon bei der Entscheidung außen vor gelassen worden sind, möchten wir wenigstens angemessen informiert werden. Und am meisten interessiert uns natürlich und viele Chemnitzer ebenso, wie genau das denn gehen soll, dass ein Unternehmen, welches sich für die nächsten Jahre mehr Braunkohle sichert, als es in den letzten Jahren überhaupt verbraucht hat, seinen CO2 -Ausstoß um 80 Prozent reduzieren will."
Erklärung aus aktuellem Anlass
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Stadtrat Chemnitz, Sitzung vom 10.09.2008
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Stadtratsbeschluss zum Beitritt zum Klimabündnis europäischer Städte verpflichtete sich Chemnitz bereits 1992, die Pro-Kopf-Emissionen zu senken – und zwar von aktuell über 8 Tonnen CO2 pro Jahr und Einwohner auf zwei Jahrestonnen. Dieses Ziel – und darüber herrscht weltweit Einigkeit – ist zwingend, um große Gefahren für zukünftige Generationen in unserer Stadt und weltweit abzuwenden. Im Dezember letzten Jahres haben Stadtrat und Oberbürgermeisterin mit der Unterstützung des Beschlusses zum Klimaschutzprogramm diese Zielstellung untermauert.
Frau Ludwig begann ihre Amtszeit mit der klaren Ansage, beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen zu wollen und mehr auf die Nutzung regenerativer Energien und Energieeinsparung zu setzen. Auch bei den Stadträtinnen und Stadträten herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass hier eine Handlungsnotwendigkeit besteht. Das – wenn auch noch etwas zaghafte – Engagement beim Klimaschutz ist immer öfter fraktionsübergreifend.
Wir Grünen wollen das auch nicht klein reden. Aber wir bezweifeln ernsthaft, dass Oberbürgermeisterin und Stadträte derzeit tatsächlich den politischen Einfluss beim kommunalen Klimaschutz geltend machen, der zu einer echten Umsteuerung in diesem Bereich notwendig wäre. Lassen Sie mich das verdeutlichen:
Die CO2-Bilanz von Chemnitz wird ganz klar vom Einsatz der Rohbraunkohle dominiert: 61 Prozent der CO2-Emissionen werden durch ihre Verbrennung im Heizkraftwerk Chemnitz Nord verursacht. Das heißt, auch die Summe aller denkbar möglichen Klimaschutzbemühungen von Bürgern, Unternehmen und Hauseigentümern in Chemnitz wird nicht ausreichen, die CO2-Emissionen signifikant zu senken, wenn nicht gleichzeitig die Verfeuerung von Braunkohle deutlich reduziert wird. Das hat die Stadtverwaltung durchaus erkannt: Da cirka zwei Drittel der Chemnitzer CO2-Emissionen kraftwerksbezogen entstehen, sind große Minderungen nur gemeinsam mit den Stadtwerken umsetzbar – so steht es zumindest im letzten Klimaschutzbericht.
Man müsste meinen, dass angesichts dieser Ursachenverteilung das Energieversorgungskonzept und die Strategie des kommunalen Unternehmens Stadtwerke im Mittelpunkt der klimapolitischen Diskussion hier im Rat stünde. Doch weit gefehlt: Während im Stadtrat noch darüber debattiert wird, wie viel Wärmeschutz am Kindergarten sinnvoll ist, auf welches Schuldach vielleicht ein Solaranlage passt oder in welche Straßenlaternen wir noch Energiesparlampen schrauben können, haben die Stadtwerke bereits im Juli dieses Jahres mit der MIBRAG einen Braunkohleliefervertrag bis zum Jahr 2019 abgeschlossen. Mit diesem Vertrag steigt der Einsatz von Rohbraunkohle ab 2010 auf jährlich 1,3 Millionen Tonnen. Die von den Stadtwerken zu vertretenden CO2-Emissionen werden diesem Anstieg folgen. Die Medien wurden erst informiert, nachdem der Vertrag ausgehandelt war, die Stadträtinnen und Stadträte erhielten überhaupt keine Information zum genauen Vertragsinhalt.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende Ludwig, hier wurden unserer Auffassung nach elementare Grundsätze bei der Zusammenarbeit zwischen Kommunalparlament und Beteiligungsunternehmen verletzt: Nach der sächsischen Gemeindeordnung sind die kommunalen Aufsichtsratsmitglieder der Gemeinde gegenüber verpflichtet, über Angelegenheiten des Unternehmens von besonderer Bedeutung zu berichten. Ein einfacher Brennstoffliefervertrag gehört sicher nicht zu solchen Angelegenheiten. Wenn dieser jedoch das Potential hat, alle Klimaschutzbemühungen in unserer Stadt mit einem Schlag ad absurdum zu führen, ist dies aus unserer Sicht sehr wohl von besonderer Bedeutung.
Frau Ludwig, wir haben sie als unsere Vertreterin in den Stadtwerke-Aufsichtsrat gewählt. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass sich der Stadtrat rechtzeitig mit Unternehmensangelegenheiten von besonderer Bedeutung befassen kann. Wir Stadträtinnen und Stadträte sind nicht nur das schmückende Beiwerk.
Da wir nun schon bei der Entscheidung außen vor gelassen worden sind, möchten wir wenigstens angemessen informiert werden. Und am meisten interessiert uns natürlich und viele Chemnitzer ebenso, wie genau das denn gehen soll, dass ein Unternehmen, welches sich für die nächsten Jahre mehr Braunkohle sichert, als es in den letzten Jahren überhaupt verbraucht hat, seinen CO2 -Ausstoß um 80 Prozent reduzieren will. So steht es jedenfalls in einem Werbeflyer der Stadtwerke.
Wir übergeben Ihnen heute unter Punkt 9 (Stadtratsanfragen) einen umfangreichen Fragenkatalog, der Ihnen die Chance gibt, die dargestellten eklatanten Widersprüche aufzuklären:
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