Gerichtsentscheid zum Wildtierverbot bei in Chemnitz gastierenden Zirkussen

zirkus.jpg"Allein bei der Vorstellung, welche Tortur z.B. der Transport einer Giraffe von Stadt zu Stadt bedeutet, leuchtet jedem ein, warum die Bundestierärzte- kammer den Ausschluss bestimmter Wildtiere im Zirkus empfiehlt. Der Stadt Chemnitz wird nun mit diesem absurden Urteil verboten, die Empfehlung der Bundestierärztekammer umzusetzen."

zirkus.jpgDamit Wildtierdompteure ihren „Beruf" uneingeschränkt ausüben können, müssen Elefant, Giraffe und Flusspferd weiter Kunststückchen machen.

Am 28.8.2008 informierte das Ordnungsamt den Chemnitzer Stadtrat über ein Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30.7.2008, welches die Stadt Chemnitz verpflichtet, Zirkus "Voyage" trotz der Haltung bestimmter Wildtiere in das Auswahlverfahren für Zirkusgastspiele 2010 in Chemnitz aufzunehmen. Das Unternehmen hatte gegen das im Oktober 2007 im Platzpachtvertrag verankerte Mitführ- und Auftrittsverbot bestimmter Wildtiere geklagt, mit der Begründung, dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung und damit eine grundrechtseinschränkende Satzungsbestimmung, worin ihm das Gericht in erster Instanz Recht gab. Die Verwaltung ging nicht in Widerspruch.

Wildtierdompteur oder Tierlehrer kann sich in Deutschland jeder nennen, beides sind keine anerkannten Ausbildungsberufe sondern werden durch "do it yourself Methoden" erlernt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Gericht, der Berufsausübungsfreiheit von Wildtierdompteuren und Tierlehrern einen rechtlich höheren Rang einräumt als dem im Grundgesetz verankerten Tierschutz. Allein bei der Vorstellung, welche Tortur für eine Giraffe der Transport von Stadt zu Stadt bedeutet, leuchtet jedem ein, warum die Bundestierärztekammer den Ausschluss bestimmter Wildtiere im Zirkus empfiehlt (siehe Anhang). Der Stadt Chemnitz wird nun mit diesem absurden Urteil verboten, die Empfehlung der Bundestierärztekammer umzusetzen.

In Deutschland ist die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren im Zirkus durch das Tierschutzgesetz geregelt. Nach § 11 bedarf derjenige, der Tiere gewerbsmäßig zur Schau oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen will, der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Zur Orientierung hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die "Leitlinien für die Haltung Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen" herausgegeben. In diesen Leitlinien ist festgelegt, dass für Menschenaffen, Tümmler, Delfine, Greifvögel, Flamingos, Pinguine, Nashörner und Wölfe keine neue tierschutzrechtliche Erlaubnis mehr erteilt werden soll. Die Bundestierärztekammer fordert in ihrem Differenzprotokoll zu den Leitlinien darüber hinaus, die Verbote von Elefantenbullen und Giraffen im Zirkus (Begründung siehe im Anhang). Mit dem Stadtratsbeschluss zur Veränderung des Platzpachtvertrages hat die Stadt Chemnitz lediglich die Bestimmungen der bundesweit anzuwendenden Zirkusleitlinien verbindlich in kommunales Recht umgesetzt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts entzieht somit den zuständigen Behörden die Entscheidungsgrundlage. Hier besteht nun akuter Handlungsbedarf auf Bundesebene.

Des Weiteren scheint das Verwaltungsgericht die europäische Diskussion zum Wildtierverbot nicht zu Kenntnis genommen zu haben. So hat die EU-Kommission bereits im Dezember 2006 das gegen Österreich angestrengte Vertragverletzungsverfahren eingestellt. Ein unbekannter Zirkusunternehmer hatte Beschwerde bei der EU-Kommission gegen das im Januar 2005 in Österreich in Kraft getretene Gesetz über das Verbot der Mitwirkung und Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben, eingereicht. Wörtlich heißt es in der Antwort von Kommissar Mc Creevy: "Nach eingehender Analyse der Antwort der österreichischen Behörden hat das Kollegium bei seiner Sitzung am 12. Dezember 2006 beschlossen, die Akte zu schließen." Das Verbot für Wildtiere bei Zirkusveranstaltungen verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union. Durch die Einstellung des Verfahrens akzeptierte die Kommission, dass das Verbot von Wildtieren im Zirkus eine angemessene Maßnahme im Sinne des Schutzes der Tiere darstellt.

Differenzprotokoll der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und der Bundestierärztekammer

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz und die Bundestierärztekammer geben unabhängig von der sonstigen Zustimmung zu den vorliegenden Leitlinien folgende Differenzen zu Protokoll:

Elefantenbullen: Trotz einzelner Beispiele gelungener Haltung eines geschlechtsreifen Elefantenbullen im Zirkus muss darauf hingewiesen werden, dass die meisten Bullen mit Beginn der Geschlechtsreife und der Musth im Zirkus nicht mehr beherrschbar sind und Menschen gefährden können. Außerdem ist mit Einsetzen der Musth ein Bulle wegen seiner Gefährlichkeit nicht mehr transportfähig und muss unter umständen frühzeitig getötet werden. Da von Wanderzirkusunternehmen nicht sichergestellt werden kann, dass Bullen spätestens mit Beginn der Geschlechtsreife an wissenschaftlich geführte Aufnahmeeinrichtungen abgegeben werden, schlägt die TVT nach gewissenhafter ethischer Abwägung vor, auf eine Bullenhaltung im Zirkus zu verzichten.

Giraffen: Giraffen sind aufgrund ihrer anatomischen Besonderheiten – lange Beine, langer Hals, Tiergröße – nicht für das Mitführen im Zirkus geeignet. Der häufige Transport bedeutet für die Tiere eine nicht unerhebliche Belastung. Die Ansprüche an die Größe der Lauffläche lassen sich an den meisten Gastspielorten nicht erfüllen. Negative Witterungseinflüsse auf das Wohlbefinden und die Gesundheit wie Nässe, Zugluft und Kälte können nicht ausreichend vermieden werden. Die Möglichkeiten zur Ausbildung und Vorführung von Giraffen im Zirkus sind begrenzt. Sie bestehen lediglich im Umrunden der Manege und stellen keine besonderen Anforderungen an das Tier. Da eine Bedarfsdeckung während der Gastspielzeit nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann, soll auf die Haltung von Giraffen verzichtet werden.

www.archiv.gruene-chemnitz.de/zirkustiere

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