Die Geschichte des Hohen Turms zu Chemnitz und der großen B-Glocke

mit freundlicher Unterstützung von Stefan Weber

Der Hohe Turm: In baulicher Einheit mit dem Rathaus war einst der Hohe Turm vermutlich Teil einer stadtburgartigen Eigenbefestigungsanlage, ähnlich wie man das vom Roten Turm annimmt, und diente als Wachturm. Als die Stadtmauer stand, 1264 erstmals urkundlich erwähnt, wurden wohl beide Turmanlagen in alter Form nicht mehr benötigt und bald darauf einer neuen Nutzung zugeführt.

hoher_turm.jpgNach den großen Stadtbränden in den Jahren 1333 bis 1338 wurde der Hohe Turm umgebaut, dabei erhöht und diente fortan der Stadtkirche St. Jakobi als Hauptglockenturm. Mit dem steinernen Neubau des Rathauses in den Jahren 1496 bis 1498 wurde der Hohe Turm architektonisch in dieses eingebunden und der Rathausbau selbst kam baulich in Verbindung mit der Stadtkirche. Auf dem Hohen Turm wurde wieder eine Wache eingerichtet. Der Türmer  war gleichzeitig auch Glöckner von St. Jakobi. Nach dem Brand 1617 wurde der Hohe Turm zwei Jahre später wieder aufgebaut, 1746 abermals durch Brand zerstört und erhielt 1749 seine heute bekannte Gestalt nach den Plänen des Freiberger Ratszimmermeisters Johann Gottlieb Ohndorff. In Zusammenhang mit den baulichen Veränderungen des alten Rathauses wurde 1882/83 mittels eines Durchbruchs eine direkte Verbindung zwischen Rathaus und Hohem Turm geschaffen.

grundriss.jpgBeim Bombenangriff auf Chemnitz am 5. März 1945 wurden die Jakobikirche, das Alte Rathaus und der Hohe Turm  zerstört.  Mit dem Wiederaufbau des Alten Rathauses von 1947 bis 1951 entstand auch ein 32 Meter hohes Teilstück des Hohen Turmes neu. Seine bauliche Vollendung in historischer Gestalt erfuhr der Hohe Turm 1986. Nachdem man das Achteckgeschoß der ehemaligen Türmerwohnung aufgemauert hatte, brachte man per Kran die auf dem Markt fertig gestellte und 20 Tonnen schwere, barocke Turmhaube samt Laterne hinauf. Seitdem ist der Hohe Turm mit seinen 64 Metern wieder der höchste Turm von Chemnitz.

Die Eigentumsverhältnisse des Hohen Turms wurden in einem Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt und dem Kirchenlehn zu St. Jakobi 1950 grundsätzlich geregelt (bestätigt 1990). Darin ist festgelegt, dass das Kirchenlehn zu St. Jakobi Eigentümer des Flurstücks ist und somit auch zuständig für den Hohen Turm. Das Kirchenlehn hat alle Kosten für die Einrichtung und Erhaltung der von ihm eingebrachten Einrichtungen bzw. Einbauten zutragen. Der Turm wird jedoch auch weiterhin von der Stadt unentgeltlich genutzt. So befindet sich darin das Turmzimmer des Türmers und im Erdgeschoss eine öffentliche Toilette. Bei den regelmäßig stattfindenden Rathausführungen kann auch der Turm besichtigt werden.

Die große B-Glocke: 1746 waren bei dem Brand im Hohen Turm auch die noch aus den Jahren 1618 und 1621 stammenden Glocken geschmolzen. Daraufhin wurde bei Johann Gottfried Weinhold in Dresden, in dessen Werkstatt schon die große Frauenkirchen-Glocke gegossen worden war, ein neues Geläut in Auftrag gegeben. Von diesem 1749 bei der Wiederherstellung des Hohen Turms eingebauten Geläuts, ist bis heute nur noch die so genannte große B-Glocke erhalten geblieben.

Als 1940 alle Glocken, die ausbaubar waren, für Rüstungszwecke beschlagnahmt wurden, schien auch das Ende der großen B-Glocke besiegelt. Bei den Einschmelzaktionen wurden jedoch kulturhistorisch wertvolle Glocken zurückgestellt. Durch diesen Glücksumstand blieb die große B-Glocke über den Krieg erhalten und wurde 1949 auf dem Glockenfriedhof in Hamburg – Harburger wieder entdeckt. Nach ihrer Rückreise nach Chemnitz wurde sie am 23.Juli 1950 auf dem teilweise wieder aufgebauten Hohen Turm neu geweiht. Somit ist die große B-Glocke die älteste Glocke von Chemnitz.

Die große B-Glocke mit einem Gesamtgewicht von 2 950 Kilogramm ist reichlich verziert. Auf der einen Seite des Glockenmantels ist das alte Chemnitzer Stadtwappen dargestellt, in dessen Tor des Mittelturmes das Brustbild des heiligen Jakobus erkennbar ist, der als Schutzpatron von Chemnitz gilt. Auf der andere Seite der Glocke, deren Durchmesser des unteren Glockenrandes 1,75 Meter umfasst, findet sich kunstvoll der lateinischer Text: "Nachdem am 16.Mai 1746 auf dem entzündeten Turm die Glocken geschmolzen waren, mögen die neu gegossenen im Jahre 1749 für Chemnitz zu immerwährendem Glücke ertönen".

Die große B-Glocke, deren volltönender Klang heute nur noch auf CD zu hören ist, kam regelmäßig bis 2002 bei bestimmten Höhepunkten wie etwa der Silvesternacht zum Einsatz. Seit dem kann sie aus Sicherheitsgründen nicht mehr in Betrieb genommen werden, da durch zu starke Schwingungen das Mauerwerk des Turms gefährdet werden könnte. Bereits damals wurden von Seiten der Jakobigemeinde Angebote zur technischen Sanierung eingeholt. Die geschätzten Kosten von ca. 24.000 Euro konnten jedoch von der Gemeinde nicht aufgebracht werden.

siehe auch:

Artikel Freie Presse Chemnitz vom 14.08.2008
Artikel Chemnitzer Morgenpost vom 10.12.2008

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