Stadtrat hält an Forderung nach verbindlicher Umsetzung des Tierschutzes bei Zirkusgastspielen fest

Der Versuch von Rechtsbürgermeister Runkel, den Chemnitzer Stadtratsbeschluss zu Platzpachtverträgen mit Zirkusunternehmen zu kippen, ist gestern zunächst gescheitert. Die Mehrheit der Stadträte plädiert weiterhin dafür, die Einhaltung der Bundesvorgaben zum Tierschutz im Platzpachtvertrag verbindlich festzulegen.

Einzelne Tierarten (Menschenaffen, Tümmler, Delfine, Greifvögel, Flamingos, Pinguine, Wölfe, Giraffen, Nashörner und Elefantenbullen) dürfen demnach nicht mitgeführt werden, da eine artgerechte Haltung bei einem Gastspiel auf dem Volksfestplatz nicht sichergestellt werden kann. Da die Stadtverwaltung diese Einschränkung für rechtswidrig hält, bleibt abzuwarten, ob die Oberbürgermeisterin in Widerspruch zu dem gestrigen Stadtratsbeschluss geht. 

Mehr Informationen: www-archiv.gruene-chemnitz.de/zirkustiere

Nachfolgend finden Sie Schülerzeichnungen zum Thema Zirkustiere, welche uns eine Grundschullehrerin zur Verfügung gestellt hat sowie den Redebeitrag von Stadträtin Annekathrin Giegengack, Bündnis 90/Die Grünen vom 21.01.2009:

 

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„Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen hier keine großen Ausführungen machen oder einen Rechtsstreit vom Zaune brechen. Wir möchten hier nur einen Punkt in Frage stellen:  Die Behauptung der Verwaltung, unsere Regelung in Chemnitz wäre verfassungswidrig und müsste daher aufgehoben werden.

Die Verwaltung bezieht sich in ihrer Vorlage auf die Begründung eines Gerichtsbeschlusses, einer einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts Chemnitz. Herr Runkel kommt zu der Auffassung, die Argumentation des Gerichts wäre rechtlich stichhaltig und schlägt deshalb die Rücknahme unseres Stadtratsbeschlusses von 2007 vor. 

Meine Damen und Herren, sie wissen, wir Grünen verfügen über keinen Juristen in unserer Fraktion, der sich mit Herrn Runkel rumstreiten könnte, ob dieser Beschluss nun rechtlich stichhaltig ist oder nicht. Und der Stadtrat wäre auch nicht der geeignete Platz dafür. Wir waren im Vorfeld dieser Sitzung aber natürlich auch nicht untätig und haben uns rechtlichen Rat eingeholt. Wir können hier keine eindeutige höchstrichterliche Entscheidung präsentieren, die den Beschluss des Verwaltungsgerichts grundsätzlich widerlegt. Aber – meine Damen und Herren- es gibt auch keine höchstrichterliche Entscheidung, die den Beschluss des Gerichts stützen würde und uns zwingt, unsere Ratsentscheidung zurückzunehmen.

Der zentrale Knackpunkt in der Begründung des Gerichtsbeschlusses ist, dass das in unserem Platzpachtvertrag aufgenommene Mitführverbot bestimmter Wildtierarten unzulässig in die grundgesetzlich verbriefte Freiheit der Berufsausübung von Tierdomteuren eingreift. Eine solche in die Berufsausübung eingreifende Regelung wäre nur auf Grundlage eines Gesetzes zulässig und die Zirkusleitlinien, auf die wir uns in unserem Platzpachtvertrag beziehen, wären aber kein Gesetz.

Das Verwaltungsgericht übersieht dabei aber, dass unserer Stadt mit § 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes sehr wohl eine gesetzliche Grundlage für ihre einschränkende Pachtbestimmung zur Verfügung steht. Nach den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes  muss derjenige, der ein Tier hält, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Ich zitiere aus dem Kommentar zu §2 Tierschutzgesetz: „Für einzelne Tierarten ist eine art- und verhaltensgerechte Unterbringung unter den besonderen Bedingungen eines reisenden Zirkusunternehmens praktisch unmöglich.“

 

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Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig „müssen sich“ – ich zitiere- „entsprechend der Zielsetzung des Tierschutzgesetzes die Anforderungen, an eine artgerechte Haltung daran orientieren, wie ein Tier sich unter seinen natürlichen Lebensbedingungen verhält, nicht daran, ob das Tier sich auch an andere Lebensbedingungen (unter Aufgabe vieler der ihm in Freiheit eigenen Gewohnheiten und Verhaltensmuster) anpassen kann. Verhaltensgerecht ist eine Unterbringung daher auch dann nicht, wenn das Tier zwar unter den ihm angebotenen Bedingungen überleben kann und auch keine Leiden, Schmerzen und andere Schäden davonträgt, das Tier aber seine angeborenen Verhaltensmuster soweit ändern und an seine Haltungsbedingungen anpassen muss, dass es praktisch mit seinen wildlebenden Artgenossen nicht mehr viel gemeinsam hat.“

Dem nicht genug – meine Damen und Herren. Wir haben mit dem Tierschutzgesetz nicht nur ein Bundesgesetz, auf dem unseren Stadtratsbeschluss fußt, der Tierschutz hat seit Inkrafttreten des geänderten Art.20a im August 2002 sogar Verfassungsrang. Das Grundgesetz gebietet, dass der Staat Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch Gesetzgebung und nach Maßgabe von Recht und Gesetz durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung schützt. Art.20a GG ist eine Staatszielbestimmung, d.h. der Tierschutz ist eine an den Staat gerichtete objektive Verpflichtungen mit Rechtsverbindlichkeit.

Vor diesem Hintergrund kann man auch zu der Auffassung gelangen, dass nach Art. 20 a GG die tierschutzgerechte Ausgestaltung des Platzpachtvertrages durch unsere Stadt sogar grundgesetzlich gewünscht und geboten ist. Denn der verfassungsmäßige Auftrag die Tiere nach Maßgabe der Gesetze zu schützen richtet sich auch an unsere Stadt als Teil der öffentlichen Verwaltung.

Was wir mit diesen Ausführungen deutlich machen wollen ist, dass die Behauptung der Verwaltung, unsere Regelung in Chemnitz wäre verfassungswidrig und müsste daher aufgehoben werden, so nicht haltbar ist. Wir hätten es gern gesehen, wenn die Stadt Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss eingelegt hätte. Diese Chance ist vertan. Das heißt aber nicht, dass wir die – nach unserer Auffassung – sehr fortschrittliche und wegweisende Regelung in Bezug auf das Mitführverbot von bestimmten Wildtieren im Zirkus wieder aufheben müssen. Wir bitten Sie unsere Ausführungen  bei ihrer Entscheidung jetzt zu bedenken und empfehlen die Ablehnung der Beschlussvorlage.“

 

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