Stadtrat hält an seinem Beschluss zum Tierschutz im Zirkus weiterhin fest

Der wiederholte Versuch – diesmal durch die Landesdirektion – den Chemnitzer Stadtratsbeschluss zu Platzpachtverträgen mit Zirkusunternehmen zu kippen, ist in der Stadtratssitzung vom 29. April 2009 erneut gescheitert. Die Mehrheit der Stadträte plädiert nach wie vor dafür, die Einhaltung der Bundesvorgaben zum Tierschutz im Platzpachtvertrag verbindlich festzulegen.

Landesdirektor Noltze hatte den Stadtrat aufgefordert, den angeblich rechtswidrigen Beschluss aus dem Jahr 2007 wieder aufzuheben. Die ganze Vorgeschichte haben wir hier zusammengestellt: www.archiv.gruene-chemnitz.de/zirkustiere

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Redebeitrag Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Chemnitzer Grünen vom 29.04.2009 gegen die Aufhebung des Beschlusses:

"Die ganze Debatte um die angebliche Rechtswidrigkeites unseres Beschlusses ist eine Nebelkerze – im Kern geht es um etwas ganz anderes. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Der Zirkus Probst hat umfangreiche Dressuren mit vielen verschiedenen Tierarten im Programm. Das jüngste Gastspiel auf dem Hartmannplatz konnte uneingeschränkt, trotz unseres Beschlusses, durchgeführt werden. Es dürfen – entsprechend der begründeten Forderung der Zirkusleitlinien und Bundestierärztekammer – lediglich 10 Exoten nicht mitgeführt werden: Menschenaffen, Tümmler, Delfine, Greifvögel, Flamingos, Pinguine, Nashörner, Wölfe, Giraffen und Elefantenbullen. Von diesen 10 Arten sind allein nur 2 Arten überhaupt strittig, nämlich Giraffen und Elefantenbullen. Pferde, Raubkatzen, alle möglichen Haustiere, Elefantenkühe und was in Zirkussen noch so alles dressiert wird, sind überhaupt nicht von unserem Beschluss betroffen. Es ist eine Lüge, dass der Stadtrat Chemnitz all diese Tiere im Zirkus verboten hat. Es gibt keine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit für Tierlehrer durch unseren Beschluss.

Dieses von der Landesdirektion vorgetragene juristische Scheinargument soll von etwas anderem ablenken: Wir haben in unserem Beschluss nämlich zur Bedingung gemacht, dass die Zirkusleitlinien der Bundesregierung bei einem Gastspiel auf dem Hartmannplatz verbindlich umgesetzt werden. Dies ist in der Tat ein echtes Problem für viele Zirkusunternehmen. Die Leitlinien werden zwar von den einschlägigen Zirkus- und Tierlehrerverbänden als großer Erfolg im Tierschutz gefeiert, jedoch wird jeder Versuch, diese verbindlich zu machen, von genau diesen Verbänden mit allen Mitteln bekämpft. Daran wird das ganze Ausmaß der Scheinheiligkeit offenbar, um die es hier geht.

Landesdirektor Noltze fordert nun von uns, die von Bundesregierung und Bundestierärztekammer empfohlene Beschränkung bei bestimmten Exoten zurückzunehmen. Er fordert uns darüber hinaus auf, die Regelung zur verbindlichen Einhaltung der Zirkusleitlinien zurückzunehmen. Diese ist zwar nicht strittig und die Zirkusbetriebe beteuern regelmäßig, wie wichtig ihnen die Einhaltung dieser Leitlinien ist. Diese Beteuerung erfolgt jedoch nur aus Marketinggründen. An der verbindlichen Einhaltung ist kaum ein Zirkus wirklich interessiert. Denn in der Realität wird der Tierschutz dann den unterschiedlichen Bedingungen am Gastspielort oder den jeweiligen Transporterfordernissen angepasst.

Herr Noltze hat sich am Ende seiner Amtszeit offenbar auf die Chemnitzer Kommunalpolitik spezialisiert. Das könnte auch der Ausdruck eines unterdrückten Wunsches nach einem Stadtratsmandat sein. Deutlich wird dies in seinem Drang, uns seine Vorstellung über kommunale Theaterpolitik, Haushaltsführung oder ganz aktuell zum Stadtumbau öffentlich mitzuteilen, was wir auch alle anständig zur Kenntnis nehmen.

In dem vorliegenden Fall ist der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung jedoch schwerwiegender. Die Landesdirektion will uns die Möglichkeit nehmen, als erste deutsche Großstadt genau das verbindlich durchzusetzen, was zwischen den Zirkusbetrieben und der Bundesregierung seit dem Jahr 2001 bereits einvernehmlich vereinbart ist. Sollte sich der Rat heute wieder weigern, seinen Beschluss aufzuheben, wird dieser dann wohl von der Landesdirektion kassiert. Damit würde uns Herr Noltze auch die Möglichkeit nehmen, rechtliche Mittel gegen die einstweilige Verfügung vom Amtsgericht anzuwenden. Denn es ist fraglich, ob die nächste Instanz dieser absurden Argumentation von der Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit auch folgt.

Wir Grünen plädieren daher erneut für die Ablehnung der Vorlage."

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