Gemeinsam Chemnitzer Lösungen gegen die Pflegekrise entwickeln

Die Zahl der Pflegebedürftigen, die Kosten und der Personalmangel steigen. Was tun angesichts dieser sich entwickelnden Pflegekrise? Die Fraktionsgemeinschaft BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt im nächsten Stadtrat, dass im Rahmen der Pflegeplanung alternative Lösungen sondiert werden sollen. Auch die Öffentlichkeit soll mit einem Impulstag oder Workshop einbezogen werden.

Andreas Wolf-Kather, pflegepolitischer Sprecher der Fraktionsgemeinschaft, erklärt: „Unser Augenmerk liegt auf dem Sozialraum, den Nachbarschaften und anderen ehrenamtlichen Gemeinschaften wie zum Beispiel Vereinen und Gemeinden. In der sogenannten Quartierspflege könnten Ehrenamtliche, Angehörige, Fachpflege mit Hilfe von Koordinationsstellen gemeinsam Anteile der Pflege zu Hause übernehmen. Wie können diese neuen Ideen auf den Weg gebracht werden?“

Katharina Weyandt, sozialpolitische Sprecherin der Fraktionsgemeinschaft, betont: „Wir wollen die Chancen, die Chemnitz durch gute Zusammenarbeit schon hat, für den nächsten Schritt nutzen. Dazu braucht es Aufmerksamkeit auf breiter Ebene. Das Thema muss in den Stadtrat, bevor es brennt.“

Zum Hintergrund heißt es in der Begründung des Antrags:

Dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln zufolge könnten in Deutschland bis 2035 im Pflegebereich insgesamt knapp 500.000 Arbeitskräfte fehlen.

Schon jetzt zeigt sich auch in Chemnitz die Krise: aus Personalmangel lehnen Pflegedienste Anfragen ab. Heime könne ihre Fläche nicht voll auslasten oder schließen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Die Preise für den Pflegeheimplatz steigen, immer mehr Senioren können sie nur noch mit Sozialhilfe tragen. Sowieso möchten sie lieber nicht ins Heim. Angehörige wollen helfen, aber schaffen es nicht allein.

Neue Modelle werden bundes- und landesweit diskutiert und erprobt. Im Bericht der Enquete-Kommission „Sicherstellung der Versorgung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege älterer Menschen im Freistaat Sachsen“ 2019 werden unter anderem Empfehlungen zur Aktivierung der Bürgerschaft gegeben. Dabei soll die Eigeninitiative der Bürgerschaft durch fördernde Rahmenbedingungen gestärkt werden. Auch die sächsische „Lebenslagen-Studie 65+“ von 2022, welche ein seniorenpolitisches Handlungskonzept vorbereiten soll, verweist darauf.

Kern der Idee des Quartierspflege ist, dass Personen aus der Nachbarschaft oder aus anderen bestehenden Gruppen wie zum Beispiel Vereine wie der Volkssolidarität oder Gemeinden einen Teil der Betreuung von pflegebedürftigen Menschen übernehmen, so wie jetzt schon im Modell der Nachbarschaftshelfer:innen oder Alltagsbegleiter:innen. Aber im Unterschied dazu arbeiten sie nicht alleine ohne Rückhalt, sondern es wird von einer Koordinierungskraft ein Team rund um die pflegebedürftige Person gebildet. Dort werden die Angehörigen und Fachpflegekräfte einbezogen. Die Koordinierungskraft kümmert sich um die Finanzierung und erschließt die finanziellen Möglichkeiten aus der Pflegeversicherung. Denn die im Vergleich zum Heim günstige und bessere Pflege zu Hause scheitert meist an der fehlenden Organisation.

Ehrenamtliche bauen Vertrauen zu dem Pflegebedürftigen auf und werden geschult, um auch bei steigender Pflegebedürftigkeit einen Teil der Aufgaben zu übernehmen, auf Wunsch auch als Minijob oder Einstieg in den Pflegeberuf. Auch entfernt wohnende Angehörige können mit bestimmten Leistungen als „distant care giver“ einbezogen werden. Die kompetente Koordinationskraft sichert die kontinuierliche Hilfe ab und vermittelt bei Konflikten. Pflegeerfahrene Angehörige bekommen über die Zeit der private Pflege hinaus nach Wunsch weitere Einsatzstellen in der Nachbarschaft.

Das Fallmanagement und die Betreuung und Pflege insgesamt wird durch Hilfsmittel wie auch IT unterstützt, wozu in Chemnitz viel Fachkompetenz vorhanden ist.

Pressemitteilung vom 22.06.2023

Verwandte Artikel