Mitglieder im Gespräch: Siegfried Bayer

Siegfried_BayerDie Chemnitzer Grünen, was sind das eigentlich für Leute? Geschäftsführer Martin Schmidt interviewt verschiedene Mitglieder. Hier als erster Siegfried Bayer, 72 Jahre, Ruheständler aus Chemnitz-Adelsberg.

Siegfried, wie bist du zu uns gekommen?

Ich war seit Jahrzehnten bereits Sympathisant. Doch aufgrund starker beruflicher Verpflichtungen war es mir zeitlich nicht möglich, früher einzutreten, denn mir ist es wichtig, mich aktiv einzubringen und nicht „nur“ zahlendes Mitglied zu sein. 2004 bin ich dann in den Ruhestand gegangen und 2005 hier in Chemnitz beigetreten.

Welche Themen haben dich politisch geprägt?

Vor allem die Auseinandersetzungen um die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf und die kritischen Stimmen der GRÜNEN. Damals wurden die Gefahren der Atomkraft von den meisten nicht gesehen. Heute steht die Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Atomausstieg, ein großer Erfolg, den vielen Initiativen und Vereinen und nicht zuletzt auch den Bündnisgrünen zu verdanken ist. Ein weiteres Thema ist die Basisdemokratie bei Grünen, jedes Mitglied entscheidet z. B. über das Spitzenpersonal auf Bundesebene, die Themen des Wahlkampfes, das unterscheidet uns noch immer von CDU, SPD und LINKEN.

Was hat dich gesellschaftlich die letzten Jahre geprägt und wo engagierst du dich außerdem?

Ich möchte ich mich in Vereinen und Verbänden aktiv einbringen. Da mein Tag auch nur 24 Stunden hat, konzentriere ich mich – neben der Familie und den Freunden – auf den Freundeskreis der jüdischen Gemeinde Chemnitz und den Chemnitzer Pilgerstammtisch. Im August und September werde ich zum achten Mal wieder auf dem Jakobsweg in Spanien pilgern.

Ein kurzer Schwenk zur Stadt Chemnitz: Du kommst ursprünglich aus Bayern und bist 1990 zugezogen. Was gefällt dir an Chemnitz besonders?

Chemnitz ist um Längen schöner und lebenswerter als viele Beobachter meinen. Die Innenstadt entwickelt immer mehr urbanes Flair und es macht Spaß, dort einzukaufen und zu flanieren. Die Qualität der Theater Chemnitz ist hervorragend und die Villa Esche zeige ich auswärtigen Freunden immer wieder gerne. Die Stadt ist sehr grün. Kurz und Gut: Wir, ich und meine Frau, leben gern in Chemnitz.

Gab es Überlegungen, Chemnitz zu verlassen und wegzuziehen?

Ja, diese Überlegungen gab es anfangs immer wieder. Aber ein ganz wichtiger Punkt für das Bleiben war das Chemnitzer Kulturangebot. Als Theaterliebhaber weiß ich diese Qualität zu schätzen. Wir haben hier ein absolut hohes Niveau in allen fünf Sparten.

Was stört dich an Chemnitz?

Als regelmäßiger Nutzer der CVAG und DB – vor allem der fehlende Zugang zum Fernverkehrsnetz. Zum anderen die Angst der Menschen vor Ausländern und auch zum Teil der Hass auf Ausländer. In Chemnitz leben im Vergleich zu anderen großen Städten nur sehr wenige Ausländer, doch es wird leider oft so getan, als ob sie das Leben dominieren. Dass Ausländer für unsere Stadt und die kulturelle Vielfalt eine Bereicherung sind, wird kaum gesehen.

Was bewegt dich politisch derzeit in der Stadt?

Zum einen der Stadionbau und zum anderen die fehlende Vision für unsere Stadt. Nachdem sich nun leider eine Mehrheit für das Fußballstadion gefunden hat und die Vergabe angefochten wird, philosophiert Frau Ludwig bereits über das Sportforum.

Dass Chemnitz sich dem demographischen Wandel stellen muss, ist offenkundig. Nur wo sind die Visionen für die Stadt, für den Umgang mit dieser Situation. Volkmar Zschocke hat aus meiner Sicht hier in seinem Programm für die Bürgermeisterwahl einen überzeugenden Diskussionsansatz geliefert. Dieser sollte auch bei den Chemnitzer Grünen nicht unbeachtet bleiben.

Wo siehst du bei uns in der Partei noch Defizite?

Wir müssen komplexe Entscheidungen durch fundierte Analysen besser vorbereiten. Nehmen wir als Beispiel den Viadukt über die Annaberger Straße. Historisch ein spannendes Bauwerk. Nur wird diese Trasse von vielen Zügen befahren und der Ausbau der Sachsen-Franken-Magistrale ist auch aus der Sicht der Grünen dringend nötig. Doch wo fällt die Entscheidung über dieses Bauwerk, wie groß sind Einflussmöglichkeiten der Stadt? Können wir als Stadtverband Chemnitz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dies verhindern? Wenn nicht, setzen wir uns eine Sache ein, die uns dann auf die Füße fällt. Auch müssen wir als Stadtverband Themen mehr vorausschauend und weniger reaktiv besetzen. Hier sind alle in und um Partei gefragt, denn dies kann nicht nur Aufgabe des Vorstandes und der Abgeordneten sein. Vielleicht sollten wir eine „Kreativgruppe“ bilden werden, die solche Themen vorausschauend benennt. Im Wahlprogramm von Volkmar Zschocke finden sich hierzu sicher Anregungen.

Und wie kann man dies aus deiner Sicht angehen?

Mehr Leute für Bündnisgrüne Politik begeistern. Jede neue Frau und jeder neue Mann bringt Erfahrungen und Ideen mit. Menschen, die gemeinsam für ein Ziel kämpfen sind erfolgreicher. Ich würde mich persönlich über noch mehr MitstreiterInnen freuen.

Siegfried, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martin Schmidt.

 

Steckbrief:

Geboren 1941 – nach Volksschule und Gymnasium Studium der Pädagogik – 1965 – 1970 Lehrer an einer Volksschule – 1970 Wechsel als Lehrer in die JVA Amberg – ab 1980 Referent für Ausbildung und Lehrkraft an der Bayrischen Justizvollzugsschule in Straubing – seit 1990 in Sachsen zunächst als Leiter der Sächsischen Justizvollzugsschule in Chemnitz, dann Leiter der gemeinsamen Justizschule in Niederbobritzsch und dann bis zu meiner Pensionierung 2004 Leiter des Ausbildungszentrums Bobritzsch für den mittleren Dienst des Finanz -, des Innen-, des Sozial- und des Justizministeriums.

Ich bin verheiratet und lebe mit meiner Frau seit 1993 in Chemnitz.

 

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