Klima-Konferenz Chemnitz: Diskussion ist vorangekommen

BannerRund achtzig Interessierte konnte Annekathrin Giegengack von der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 21. April zur Chemnitzer Klimakonferenz im Industriemuseum begrüßen. – „Man merkt, Chemnitz ist seit 2009 in der Diskussion gut vorangekommen, es war die lebendigste regionale Klimakonferenz“ lobte zum Schluss Johannes Lichdi, energiepolitischer Sprecher der Fraktion, welcher den ganzen Tag moderiert hatte. Alle Vorträge sind jetzt auf www.wir-sind-klima.de dokumentiert. Hier ein Bericht.

Die Kurve geht nach oben. Ob auf den zahlreichen Charts des Klimaforschers Wilfried Küchler (links) oder in den Ergebnissen der Wetterstation Chemnitz, die Umweltamtsleiter Dr. Thomas Scharbrodt (rechts) zeigte: Die Temperaturkurve hat Zacken, je nach Wetterlage ist es kälter als im Vorjahr, aber in der Tendenz schreitet die Erderwärmung fort. Die beobachteten Werte liegen weit oberhalb der verschiedenen Modelle der Wissenschaftler. Dafür sorgt der Treibhauseffekt, der sich bei einem bestimmten CO2-Anteil in der Luft einstellt. Vor 5 Mio. Jahren war er zuletzt 2 Grad wärmer als heute. Leidtragenden seien vor allem die Landwirte. „Wir haben nicht zu schwarz gemalt, sondern zu weiß gestrichen“, bemerkte Wilfried Küchler.

KchlerSchardbrodtDr. Thomas Scharbrodt referierte die Ziele des Chemnitzer Klimaschutzkonzept: Begrenzung des CO2-Ausstoß pro Einwohner auf den Richtwert 2,5 Tonnen, die Senkung um 10 % alle fünf Jahre, die Halbierung gegenüber dem Stand von 1990 bis 2030. Chemnitz trat schon vor  zwanzig Jahren  dem „Klima-Bündnis der Europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder“ bei. Mit 62 verschiedenen Maßnahmen will das Energieteam in der Stadtverwaltung an diesen Zielen arbeiten. In der Realität stagniert der Klimaschutz in Chemnitz. Der CO2-Ausstoß ist  seit 2002 wieder angestiegen und beträgt 7-8 Tonnen je Einwohner. Die Hälfte davon, wie mehrere Redner hervorhoben, entfällt auf die Stromerzeugung. Auch in den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung war stark kritisiert worden, dass die Stadt den Teil komplett der EINS energie in Sachsen überlassen hatte. Jetzt kündigte Carina Kühnel, verantwortliche Mitarbeitern für das Klimaschutzkonzept im Umweltamt an, dass die Stadt auch zu ihren Vorstellungen zur Energieerzeugung einen Beitrag verfassen wolle.

 Volkmar Zschocke hat als ehemaliger Stadtrat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen wesentlichen Anteil an den Beschlüssen der Stadt zum Klimaschutz. Jetzt sprach er als Landesvorstandssprecher „mit Abstand“, wie er sagte, zum Klimaschutzkonzept. Sein Fazit: „Es reicht nicht“. Schuld seien nicht die Mitarbeiter in der Verwaltung, sondern die politisch Verantwortlichen. Er nahm die Aussage von Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig zur geplanten künstlerischen Neugestaltung des Heizkraftwerks Nord auf’s Korn, dies „Symbol des fossilen Industriezeitalters“ zum Wahrzeichen der „Stadt der Moderne“ machen zu wollen. „Es ist viel mehr möglich“, sagte Zschocke, „wenn wir die bisherigen Systeme verlassen, die erdölbasierte Mobilität, die massenhafte AuditoriumProduktion von Gütern in der Wegwerfgesellschaft“. EINS energie in Sachsen müsste die erneuerbaren Energien stärker vorantreiben, zum Beispiel durch eine – wie von den GRÜNEN vorgeschlagen – Bürgerwindanlage. Und die Stadt müsse begreifen: „Klimaschutz ist Haushaltsschutz“. Er schloss mit einem fiktivem Pressezitat vom 19. 4. 2020 der oder des OB zu einem Antrag der Chemnitzer Bürgerenergiewerke: den Schornstein, der nicht mehr zur Braunkohleverstromung gebraucht würde, durch eine künstlerische Gestaltung zum „Symbol des Abschieds vom fossilen Zeitalter zu machen“.

 Hans-Jürgen Schlegel vom Verein zur Förderung Erneuerbarer Energien in Sachsen hatte sich dem Potenzial einer klimafreundlichen Mobilität in einer Stadt wie Chemnitz gewidmet. Nach seinen Recherchen werden zur Zeit 806 GW h/a vom Heizkraftwerk Nord gedeckt, 31 806 GW h/a durch Erneuerbare Energien und 303 GW h/a durch Zukauf ausglichen. Er schlug weitere Windenergieanlagen Richtung Wittgensdorf vor sowie mehr Photovoltaik und Beteiligungen an Anlagen anderswo.

Bernhard Herrmann, Geschäftsführer der Chemnitzer Bürgersolaranlagen und „Sachkundiger Bürger im Planungs- Bau- und Umweltausschuss“, analysierte kritisch das Energiekonzept der eins. Der Einstieg in die Erneuerbaren Energien sei viel zu vage, daraus entstünden auch wirtschaftliche Risiken durch die ansteigenden Preise für CO2-Zertifikate. Schon jetzt würde der Strompreis an der Börse zur Mittagszeit durch die Solarenergie massiv nach unten gedrückt, die Produktion aus Braunkohle würde unwirtschaftlich.

BruerLichdiSchmidtDer zweite große Verursacher der schlechten CO2-Bilanz ist das Auto. Dirk Bräuer, Abteilungsleiter Verkehrsplanung, Tiefbauamt Stadt Chemnitz, stellte den Entwurf eines erstmalig erarbeiteten Radverkehrskonzepts dar sowie den Nahverkehrsplan, der fortgeschrieben wird, und nannte verschiedene Optimierungsversuche, damit Chemnitz zur „Stadt der Mobilitätsmoderne“ würde, der modernen, postfossilen Mobilität. Problem sei immer die Akzeptanz der Bürger. Er betonte: „Über den Anteil des Autoverkehrs entscheidet jeder selbst.“

Martin Schmidt, Stadtrat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, illustrierte das von Bräuer angesprochene Problem, dass man mit Bus und Bahn oft drei mal so lange unterwegs ist wie mit dem Auto am Beispiel der Anbindung des Kaßberg an den Hauptbahnhof. Die einstimmig beschlossene Vorrangschaltung der Ampeln müsse jetzt umgesetzt werden. Problem sei, dass die Stadt noch nicht einmal einen Haushaltstitel für den ÖPNV habe. Der ganze Zuschuss komme aus den Gewinnen der eins energie – mit dem schon angesprochenen Risiko, dass der Braunkohlenstrom weniger Gewinne abwerfen werde.

 An der Diskussion beteiligten sich neben den Referenten und anderen Mitarbeitern der städtischen Ämter auch Vertreter der TU, der Energiewirtschaft, Stadträte der SPD, Mitglieder der Agenda 21 und weitere Interessierte von jung bis alt. Für die Allerjüngsten hatte Kathleen Kuhfuss, Vorstandsmitglied im Stadtverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine parallele Kinderbetreuung organisiert, entsprechend der familienfreundlichen Politik der GRÜNEN.

E-MobilHeiko Reinhold, Umweltbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sachsen stellte in der Ausstellung das „Energie- und Umweltmanagement in Kirchengemeinden“ vor, Umweltzentrumsleiter Manfred Hastedt den Saatgutgarten in den „Bunten Gärten“. Eckard Erben zeigte sein Solarmodul, das während der Vormittagsvorträge Sonne für eine 30-Kilometer-Fahrt speicherte. Wie der Stromverbrauch in der Industrie gesenkt werden kann, vermittelte beispielhaft für die TU-Forschung zum Klimaschutz das Projekt eniPROD, welches mit Postern in der Ausstellung vertreten war.

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