Bernhard Herrmann

Sympathisanten im Gespräch: Bernhard Herrmann

Im Jahr 2013 startete die Reihe „Mitglieder im Gespräch“. Aufgrund von Wahlkämpfen in 2014 wurde diese unterbrochen und nun fortgesetzt. Ab sofort kommen auch Sympathisanten und Nicht-Mitglieder zu Wort. Bernhard Herrmann, 49 Jahre, Diplom-Ingenieur für Wasserbau, verheiratet, 3 Kinder, katholisch, parteilos und Stadtrat in Chemnitz. Seit Ende der 80er Jahr lebt und arbeitet er in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz.

Bernhard, wie bist du auf uns Grüne in Chemnitz aufmerksam geworden?

Das war im Jahr 2007. Volkmar Zschocke war Stadtrat in Chemnitz und nahm sich der Idee von Bürgersolaranlagen in Chemnitz gern an. Wir selbst besitzen seit 2002 eine Photovoltaikanlage (PV) auf unserem privaten Hausdach. Volkmar und ich haben dann zusammen mit anderen Unterstützern für die ersten konkreten Projekte gestritten.

Wie viele Projekte gingen in diesem Bereich von Chemnitz aus?

Insgesamt waren es sechs Anlagen. Unsere Internetseite www.buergersolaranlage-chemnitz.de wird noch immer regelmäßig gepflegt und bietet einen guten Überblick. Über 100 Beteiligte – aus vielen Kreisen der Bevölkerung – sind bei uns aktiv.

Waren diese Projekte leicht umzusetzen?

Nein, leider nicht. Die Verkrustung im Energiesektor ist noch immer sehr groß. Aber auch die Findung entsprechender Dachflächen war nicht ganz einfach. Gemeinsam konnten wir aber z. B. auf dem Industriemuseum Erfolge erzielen. Hier hat der damalige Stadtrat mit seinem Beschluss zur mietfreien Bereitstellung von Dachflächen entscheidende Unterstützung geleistet.

Warum sind in den letzten drei Jahren keine neuen Projekte gestartet worden?

Die Rahmenbedingungen haben sich für Bürgerprojekte deutlich verschlechtert. Hier sind SPD und CDU leider den Bestrebungen der großen Energieversorger gefolgt, das Energiegeschäft wieder stärker in die eigenen Hände zu bekommen. Die Vergütung lässt derzeit –zumindest im PV-Bereich – keine Gewinnmargen zu. Ein gewisser Verwaltungsaufwand ist immer nötig und kann somit nicht mehr gedeckt werden. Das Vorgehen der Politik widerspricht im Übrigen auch dem erklärten Ziel des Mittelstandes, die Energiewende „so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig zu gestalten“.

Welche Herausforderung sollte die Politik in den kommenden Jahren lösen?

Die immer stärkere Zentralisierung von Strukturen schadet der Bürgernähe. Hier gab es in den letzten 10-15 Jahren eine Verschlechterung. Warum nicht – demokratisch legitimierte – Strukturen stärker fördern und ausbauen. Die Ortschaftsräte können ein Vorbild für die ganze Stadt sein. Stichwort: Stadtteilräte. Die Menschen wollen sich vor Ort einbringen. Nehmen wir sie mit und machen Politik wieder besser für sie erreich- und erlebbar!

Welche Themen sind aus deiner Sicht in den nächsten Jahren am Wichtigsten?

Der Umbau im Energiesektor schreitet immer weiter voran. Ich bin überzeugt, dass dies nur mit einer stärkeren Beteiligung der BürgerInnen erfolgreich und für die Gesellschaft insgesamt gewinnbringend sein kann. Hier haben die Grünen schon einige gute Vorschlage vorgelegt. Stichwort: EEG 2.0 bzw. 3.0.

Wo siehst du die größten Schwächen Grüner Politik, oder was sind die Gründe, die gegen eine Mitgliedschaft sprechen?

Hier habe ich mit manchen Positionen auf Bundes- und Landesebene meine Probleme. Die einseitige Russlandpolitik teile ich nicht – bin da inhaltlich sehr nahe an der Position z. B. von Antje Vollmer. Vieles, was sonst dazu geäußert wird, lässt keinen Weg erkennen, wie wir wieder aus der höchst gefährlichen Sackgasse herauskommen können. Um nicht falsch verstanden zu werden: Putin ist mit Sicherheit kein lupenreiner Demokrat. Was aber hat auch grüne Politik der letzten Monate in Bezug auf seine Unterstützung im eigenen Land bewirkt?
Einige neoliberale Vertreter bei den Grünen scheinen auch einen Weg zu einer „ÖKO-FDP“ nicht zu scheuen. Dies wäre grundfalsch. Was 2013 im Bundeswahlprogramm stand, war richtig. Hier gilt es dran zu bleiben – der zukunftsfähige Umbau der Gesellschaft wird nur gelingen, wenn er ökologisch und zugleich sozial ist.

Und welche positiven Erfahrungen hast du mit uns GRÜNEN gemacht?

Gerade hier in Chemnitz werden Bürgeranliegen ernst genommen. So habe ich mich gefreut, dass mir über 97 % der anwesenden Mitglieder auf dem Stadtparteitag genau für eine solche Politikausrichtung  das Vertrauen für die Kommunalwahl geschenkt haben. Die gelebte Offenheit und der lebendige Diskurs sind hier vor Ort zu spüren.

Du sitzt seit Juni 2014 im Stadtrat. Wie ist dein erstes Zwischenfazit?

Ich nehme die Sache ernst und arbeite ca. 15 h die Woche ehrenamtlich für die Menschen in Chemnitz. Kleine Erfolge sind schneller möglich als gedacht. Die großen Themen brauchen natürlich mehr Zeit. Es wäre auch falsch und arrogant, alles allein lösen zu wollen – Netzwerkarbeit ist mein Ding. Mein Eindruck: Kontinuierliche Arbeit bringt letztlich oft Erfolg.

Wie beurteilst du die aktuelle Bürgerbeteiligung in der Stadt?

In den Bürgerplattformen sind einige Menschen, denen es wirklich um Verbesserungen geht, denen lebendige Demokratie sichtlich Freunde macht. Leider werden diese – gerade bei kritischen Themen – viel zu oft nicht gehört. Ich wünsche mir eine ehrliche und offene Analyse der Bürgerplattformen. Verbindliche Rechte – Stichwort Ortschaftsverfassung – sollten wir nochmal im Stadtrat diskutieren. Verbesserungen sind hier auf jeden Fall möglich.

Welche Herausforderung siehst du in Chemnitz noch?

Wir müssen noch mehr junge Leute in unserer Stadt halten. Die aktuellen Bevölkerungszahlen können uns optimistisch in die Zukunft sehen lassen. Wir sollten uns gemeinsam um einen besseren Umgang bemühen. Auch und gerade in der Verwaltung muss es nach meinen Erfahrungen eine bessere Leitungstätigkeit gegenüber den MitarbeiterInnen geben. Hierbei bestehende Defizite, auch im Zusammenhang mit dem vom Stadtrat zu verantwortenden Sparprogramm der letzten Jahre, die dürften Ursache für einen stetig steigenden Krankenstand sein. Das ist vollkommen inakzeptabel!

Konstruktive Ideen und Vorschläge, auch wenn sie zunächst kritisch wirken, sollten stärker begrüßt und weniger von vornherein mit Misstrauen aufgenommen werden.

Bernhard, welche drei Wünsche hast du für dieses Jahr?

Gesundheit für unsere Familie. Mehr Solidarität der Menschen untereinander, zwischen denen die hier leben und mit denen, die in Not zu uns kommen. Ja und nicht zuletzt: eine wieder friedvollere Entwicklung weltweit.

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martin Schmidt.

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