Digitaler Bundesfrauenrat

09. – 10. Mai 2020

#frauenrat #umschalten

Der erste Digitale Bundesfrauenrat! Was für eine Zeit mit dabei zu sein. Die Vorgaben des Infektionsschutzes ließen es nicht zu, dass wir uns am Wochenende real treffen konnten. Ich bin sehr stolz, dass @bündnis90dieGrünen uns ermöglicht, trotzdem weiter inhaltliche Arbeit leisten zu können und wir uns digital absprechen!

Die weitläufigen Einschränkungen, die wir in den letzten Wochen erlebten, hatten auch einen Backlash, also ein Zurückfallen in tradierte Rollenverteilungen, zur Folge. So waren es öfter Frauen, die mit Home Office, Kinderbetreuung und Haushaltspflichten konfrontiert waren. Wir müssen hier ansetzen und sind noch entschlossener, auf Missstände hinzuweisen. Ein Klatschen reicht da nicht aus! Zudem fehlen auch Wertschätzung und Maßnahmen seitens der Bundesregierung, um den Mehrfachbelastungen, denen vor allem Frauen ausgesetzt sind, entgegenzuwirken. Wo war der Pflegegipfel, der sich um die gravierenden Probleme in den Pflegeberufen kümmert? Wo war der Betreuungsgipfel, der sich mit den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für nicht-systemrelevante Berufstätige beschäftigt? Keine Sorge, ihr habt da nichts verpasst. Sie gab es einfach nicht. Was dagegen breit von der öffentlichen Berichterstattung begleitet wurde, war der Autogipfel oder die Wiederaufnahme der Bundesliga. Hier wird deutlich, was die wichtigen Pfeiler in unserer Gesellschaft sind.

Doch wir stellen uns entschieden dagegen! Wir stehen für eine gemeinwohlorientierte Politik – es sollen auch die gehört werden, die gerade nicht die Zeit, die lauteste Stimme oder die stärkste Lobby haben. Hier braucht es einen sozialen Schutzschirm, damit alle gleichermaßen wieder an der Gesellschaft teilhaben können. Ganz konkret leiten sich daraus politische Aufgaben ab, die übernommen werden müssen. Es werden Schutzkonzepte benötigt, die ausreichend Schutzkleidung und -ausrüstung zur Verfügung stellen können. Bei alledem geht es vor allem um die Rechte von Frauen.

Gewalt gegen Frauen

Beim ersten digitalen Bundesfrauenrat ging es um die derzeitige Lage der Frauenhäuser, die bei dem erwarteten Anstieg der Häuslichen Gewalt eine erste Anlaufstelle bieten können. Zum Thema nahmen Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin, Ulle Schauws, Mitglied des Bundestages, Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments und Heike Herold, Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung Stellung. Die Zahlen aus China und Frankreich verzeichnen einen starken Anstieg an Vorfällen von Häuslicher Gewalt. Für Deutschland liegen noch keine belastbaren Zahlen vor, doch es wird erwartet, dass sobald die öffentlichen Einschränkungen gelockert werden, mehr Frauen Schutz in den Einrichtungen suchen. Die gestiegene Nachfrage bei den Hilfetelefonen weist darauf hin. Mittlerweile gibt es auch eine Förderung vom Bund („Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“), die den Ausbau der Frauenhausstrukturen mit Investitionsprogrammen fördert. Denn die Vorgabe der Istanbul Konvention, die in Deutschland offiziell am 01. Januar 2018 in Kraft getreten ist, wird hinsichtlich der Anzahl der Frauenhausplätze immer noch weit verfehlt. Wir Grüne verfolgen hier einen klaren Kurs und fordern in enger Abstimmung mit den Beratungsstellen, Frauenhäusern u.A. eine nachhaltige Unterstützung und Ausbau der Strukturen, v.a. Frauen mit Behinderungen, Frauen mit geringfügigen finanziellen Mitteln, weibliche Geflüchtete und Frauen mit einem unsicheren Status stärker in den Fokus zu nehmen.

Aus Sicht der Frauenhäuser standen sie während des Lockdowns vor großen Hürden: Wie können die Frauenhäuser auf einen Infektionsfall im Haus reagieren? Wie kann die telefonische Beratung bei veralteter technischen Ausstattung gewährleistet werden? Wie kann der Infektionsschutz ausreichend umgesetzt werden? Daraus ergaben sich weitere Probleme, die vor allem auf dem Rücken der Frauen austragen werden. Wo hin, wenn das Frauenhaus wegen Quarantäne geschlossen ist? Gibt es externe Schutzunterkünfte? Wie kann das personell abgedeckt werden? Es gibt noch einige offenen Fragen, die auch mit der Bundesförderung noch nicht geklärt sind.

Abstimmung

Der Antrag A – 01 „Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem – gerade in Krisenzeiten“ und der Antrag A – 02 „Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und Beratung in der Corona-Krise sicherstellen“ wurde von den anwesenden Delegierten jeweils einstimmig angenommen.

Vereinbarkeit Familie und Parteiarbeit

Der thematischen Abschluss des ersten Tages widmete sich der Vereinbarkeit von Familie und Parteiarbeit. Dabei wird betont, dass unter Parteiarbeit auch das politische Ehrenamt (z.B. Mitarbeit in LAGen, Vorständen etc.) gemeint ist. Hannah Neumann, Mitglied des Europäischen Parlamentes, stellte diese neue Initiative vor. Es soll eine Taskforce eingerichtet werden, die aus Menschen mit kommunalpolitischer Erfahrung besteht. Ziel ist es, herauszufinden, wie Familie und das politische Ehrenamt besser zu vereinen sind. Vor allem unter den Gesichtspunkten, was ist bereits an Hilfestrukturen vorhanden und wo besteht noch Bedarf, fordert die Taskforce Grüne Mitglieder zur Mitarbeit auf. Es sollen dabei alle angesprochen werden, aus der Stadt und vom Land, West und Ost, Frauen und Männer. Nachfragen, sowie Informationen, Berichte, Leitfäden oder best practice – Beispiele aus der eigenen politischen Arbeit vor Ort können an vereinbarkeit@gruene.de geschickt werden.

Pflege, Care und Daseinsfürsorge

Der zweite Tag begann mit der Einführung ins Thema „Pflege, Care und Daseinsfürsorge“ durch Shirin Kreße, Krankenpflegerin und AG Junge Pflege. Für die Pflege ist es eine merkwürdige Situation. Einerseits ist das Klatschen und die Anerkennung aus der Bevölkerung wichtig und super, aber es reicht eben nicht. Die Situation für Pflegende hat sich mit den Einschränkungen noch weiter verschlechtert, denn Arbeitgeber nutzen die Infektionsschutzmaßnahmen aus. Zum Beispiel wurden der Personalschlüssel aufgehoben und der 12h-Arbeitstag möglich gemacht – eine Aussicht auf ein Ende dieser Maßnahmen gibt es nicht.

Von der Bundesregierung wurden mittlerweile Prämien verabschiedet, aber eine einmalige (max. dreimalige) Prämienauszahlung ändern nichts an der Tatsache, dass Pflegekräfte generell ein niedriges Einkommen haben. Es benötigt hier nachhaltige Konzepte, damit sich die Situation verbessern kann. Wenn der mediale Fokus abgeflaut ist, darf die Pflege nicht vergessen werden! Es muss auch in Zukunft noch genügend Menschen geben, die in einem Pflegeberuf arbeiten wollen – wir haben bereits jetzt einen Notstand und zu wenig Pflegekräfte.

In unserem Antrag P – 01 fordern wir für die Zeit der Corona-Krise eine Gewährleistung des Schutzes und die Unterstützung von Pfleger*innen. Auch für die Zeit nach der Krise müssen nachhaltige Problemlösungen und Maßnahmen umgesetzt werden. Der Grüne Bundesfrauenrat macht bessere Löhne und gute Arbeitsbedingungen in systemrelevanten Berufen zur politischen Priorität!

Abstimmung

Der Antrag P – 01 „Who cares? We do! – Pflege, Care und Daseinsvorsorge – während und nach Corona“ wurde einstimmig angenommen.

Who Cares? We do!

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