Was hat sie sich bloß dabei gedacht?

Unsere GRÜNE Ortschaftsrätin Jennifer Petzl über die erste Ortschaftsratsitzung seit Ausbruch der Corona-Pandemie

Im Mai 2019 wurde unser Vorstandsmitglied Jennifer Petzl, als einzige Frau in den Ortschaftsrat Einsiedel gewählt. Wegen der Corona Krise mussten analog zum Stadtrat auch die Sitzungen des Ortschaftsrates entfallen. Am 12.05. traf sich der Rat nun erstmalig wieder. Über diese Erfahrung gibt uns Jennifer einen sehr persönlichen Einblick:

Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Ich war noch nicht einmal ein halbes Jahr bei den GRÜNEN, da ließ ich mich schon zur Kommunalwahl im Mai 2019 als Ortschaftsrätin für Einsiedel aufstellen. Natürlich bin ich schon mein Leben lang ein sehr politisch aktiver Mensch gewesen und habe selten Probleme meine Meinung kundzutun. Doch Einsiedel ist bekanntlich Einsiedel.

Ich bin hier groß geworden. Obwohl ich 15 Jahre nicht mehr hier gewohnt hatte, habe ich die Stimmung von früher nicht vergessen. Die Situation ab 2015 mit all den Ausschreitungen, rechtsextremen Kundgebungen und schließlich dem Brandanschlag auf die Unterkunft für geflüchtete Familien, erzeugte bei mir keine Überraschung. Überrascht war ich dann eher, dass es nach einer zweiten Auszählung der Stimmen, bei der Kommunalwahl direkt für einen Platz im Ortschaftsrat reichte. Diese sehr überwältigende Botschaft ist jetzt fast ein Jahr her. Doch ich habe noch einen langen Lernprozess vor mir.

Gerade jetzt. Durch die Corona-Pandemie ist die Sitzung im April ausgefallen. Diesen Dienstag trafen wir uns wieder, mit sehr viel Abstand, doch sonst in gewohnter, nahezu schon vertrauter Runde. 12 Männer von CDU bis ProChemnitz und ich. Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass die aktuelle Situation keinen gesonderten Tagesordnungspunkt erhalten hatte. Überall wird über die Corona-Pandemie gesprochen, vom Erklärungsbedarf der Politik und den konkreten Auswirkungen für jeden Einzelnen. Im Ortschaftsrat Einsiedel gibt es keinen Gesprächsbedarf.

Wirklich nicht? Erst am Samstag hatte ich ein Plakat mit rechter Hetze mitten im Zentrum von Einsiedel gesehen. Darauf war mit hässlicher Schnelligkeit „Corona tötet! Freiheit & Demokratie“ geschrieben. Am Montagabend „spazierten“ dann ca. 40 Menschen durch die Ortschaft. Beide Ereignisse beunruhigten mich zu tiefst. Auch wenn sie nicht überraschen. Ich will in so einem Ort nicht leben. Ich will das Menschen wohlwollend miteinander umgehen, miteinander reden und gemeinsam Probleme anpacken anstatt ins Leere zu Meckern.

Daher sprach ich beide Punkte als Frage an den Ortsvorsteher an: „Wie schätzt der Ortsvorsteher die Situation in Einsiedel ein?“, „Gab es seit Beginn der Pandemie mehr Anfragen und Beratungsinteresse der Einwohnerinnen?“, „Sind die Spaziergängerinnen vorher oder nachher mit Ihren Belangen an den Ortsvorsteher herangetreten?“ Dürftige Antworten folgten. Die wirtschaftliche Lage einzelner Betriebe in Einsiedel wird schwierig eingeschätzt und der Ortsvorsteher übte heftige Kritik an den Maßnahmen „der Politik“. Versteht er sich nicht selbst als deren Teil als gewählter Mandatsträger? Doch als positiv wird das Engagement des hießigen Fußball Vereins SV Viktoria 03 Einsiedel e.V. bewertet, der direkt seit Beginn „Einkaufshilfe“ anbietet. Es gibt sie, diese positiven Seiten. Ich will viele weitere suchen, kennenlernen und fördern. Daher bin ich gerne Ortschaftsrätin hier in Einsiedel.

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